Mattscheibe für «Rondo» von Frank A. Meyer

« Zurück

Collage über ein Zuchthaus» nennt Markus Imhoof (30) seinen 1968 gedrehten Film «Rondo». Seit drei Jahren versucht er nun diese «Collage» aus Interviews, Gesprächsfetzen, Berichten, Reglementen und Szenen aus dem Leben der Gefangenen einem schikanösen Gefängnis zu entreissen: Der Streifen darf nicht öffentlich über die Leinwand flimmern. Gezeigt wurde er bisher ausschliesslich in ganz wenigen, engen Kreisen, zum letzten Mal am 30. April an einer Veranstaltung von Zürcher Sozialdemokraten. (Für diese Vorführung interessierte sich Jean Paul Sartre, was zu Imhoofs erstem Ficheneintrag führte.)

Grund für dieses Verdikt: Der Direktor der Strafanstalt Regensdorf, wo der Film als Schulaufgabe des damaligen Kunstgewerbeschülers Imhoof entstand, mochte sich für die kritische Sicht des Strafvollzugs nicht erwärmen. Er erhob Einspruch bei der Kunstgewerbeschule: «Ich sehe mich daher genötigt, dringend und klar zu bitten, ja zu verlangen, dass dieser Film nicht veröffentlicht wird, wo immer es auch sein mag.»

Seither kann es sich der Autor und können es sich Veranstalter – wo immer auch – nicht leisten, die aufrüttelnde Darstellung der Geschichte eines rückfälligen Gefangenen vors Publikum zu bringen. Zwar bestreitet Imhoof keineswegs, dass man sich provoziert fühlen könne: «Es handelt sich um einen engagierten Film über den schweizerischen Strafvollzug». Doch auch Urteile wie das von Martin Schaub: «Sein zweiter Schulfilm bestätigte nicht nur seine formale Begabung, sondern auch einen aussergewöhnlichen Ernst, ein Engagement in unserer Zeit, einen kritischen jungen Menschen», nützen nichts. Die Filmrechte liegen bei der Kunstgewerbeschule, die sich als öffentliche Anstalt nicht mit der öffentlichen Anstalt Regensdorf anlegen will. Ausweichend wird behauptet, der Film sei ohnehin ausschliesslich für interne Schulungszwecke bestimmt gewesen, und man verstehe nicht, weshalb der Realisator ihn öffentlich vorführen wolle. Indessen wurden auch die «Schularbeiten» des ersten Lehrjahres öffentlich gezeigt – manche sogar über den helvetischen Bildschirm.

Die Hoffnungen konzentrieren sich nun auf den kantonalzürcherischen Justizdirektor, den Sozialdemokraten Arthur Bachmann: Er findet sich in der heiklen Lage zwischen der Regensdorfer Direktion, die es Imhoof nicht verzeiht, sein Werk nicht aus direktoraler Sicht abgefasst zu haben, und den Filminteressierten, die das Werk endlich loseisen möchten.

Arthur Bachmann argumentiert: «Der Film ist nicht mehr besonders aktuell, da seit den Dreharbeiten viele Neuerungen eingeführt wurden, die bei einer öffentlichen Vorführung nicht berücksichtigt werden könnten.» Deshalb ist er bislang nicht bereit, eine generelle Veröffentlichungserlaubnis zu erteilen: «Der Film kann nach Anfrage an mich bei halböffentlichen Veranstaltungen gezeigt werden. Eine solche Bewilligung wird von Anlass zu Anlass erteilt.»

Filmer Imhoof wird deshalb wohl den endgültigen Durchbruch von Rondo an die Öffentlichkeit nicht erleben. Obwohl der Strafvollzug zu den Themen gehört, die breitesten Öffentlichkeit nicht deutlich genug vor Augen geführt werden können. Meint Filmpublizist Martin Schaub: «Der Strafvollzug in einer Gesellschaft, die Imhoofs «Manipulationen» kategorisch ablehnt, ist fragwürdig. Das heisst: Dieser Strafvollzug muss befragt werden. Verhindert diese Gesellschaft einem Frager das Fragen, entzieht sie ihm die Freiheit des Fragens, wird sie als ganzes zum Gefängnis.»

Markus Imhoof ist Ärger mit seiner Filmkunst nachgerade gewohnt: Der Streifen «Ormenis» über die Schweizer Kavallerie, den die Kavallerieverbände mit 20 000 Franken subventionierten, führte zu einer gerichtlichen Klage und zur Verfügung: «(…) wird Ihnen im Sinne einer einstweiligen vorsorglichen Massnahme ( … ) verboten, den Film ‚Ormenis‘ oder Teile oder Ausschnitte davon in irgendeiner Form, insbesondere am Bildschirm und vor allem in der heutigen Sendung Kontakt um 21.20 Uhr vorzuführen.» Grund für den Konflikt mit den Kavalleristen: Der Film war anders herausgekommen, als sie erwartet hatten – statt für, gegen die Aufrechterhaltung von Kavallerie in der Schweizer Armee.

 

– Frank A. Meyer (aus Sonntags Journal 8./9.Mai 1971)