Lieber Markus Imhoof,
Es freut mich, darf ich heute die Laudatio halten zu deiner Aufnahme als Ehrenmitglied des ARF. Ich versuche aus einem persönlichen Blickpunkt zu sprechen.
Dabei kennen wir uns eigentlich nicht. Obwohl, wir sind uns bereits einmal begegnet, aber du wirst dich daran nicht erinnern, denn einerseits ist es 10 Jahre her, und, viel wichtiger, weder du noch ich wussten in diesem Moment davon. Es war 2012, ich fuhr im Zug von Zürich nach Basel, zur Vorpremiere von More Than Honey. Ich dachte mir schon als ich Platz nahm, dass mir dieser adrette, ältere Herr, der im selben Abteil sass, irgendwie bekannt vorkam, aber erst als du in Basel die Kinobühne betratst habe ich realisiert, dass ich die gesamte Zugfahrt dir vis à vis gesessen hatte. Wir hatten uns auch nicht unterhalten, du warst in deine Zeitung vertieft, ich hatte Kopfhörer im Ohr – ich weiss das noch so genau, weil ich auf dieser Fahrt ein Radiointerview mit dir hörte. Seither google ich die Leute, deren Filme ich schauen gehe.
Natürlich ist es die Schweiz, die macht, dass wir wenig Star-Kult hegen (und diese
Menschen dann eben nicht erkennen), vor allem auch gegenüber inländischen Stars, wie du ja durchaus einer wärst. Bereits deine ersten Filme schlugen hohe Wellen: Rondo, der 1968 veröffentlicht werden sollte, wurde von der Justizdirektion des Kantons Zürich prompt verboten, bis 1975. Einer der ersten Filme also schon eine Provokation, oder vielmehr eine klare Ansage. Auch der nächste, Ormenis 199 + 69, verärgerte die Behörden: das Militär wollte sein in den Film investiertes Geld zurück, da er offensichtlich nicht das war, was sie sich erhofft hatten. Sie bewirkten, dass er nur zensiert aufgeführt werden durfte. Dass dir dafür in Venedig die Silbermedaille überreicht wurde, hat daran auch nichts geändert; erst seit 2002 darf der Film in der Originalfassung gezeigt werden.
Du hast dich auch filmpolitisch eingesetzt, um deine Filme so zeigen zu können, wie du es willst: Dir ist es zu verdanken, dass die Verhandlung mit den Kinos nicht mehr nur den
Verleiher:innen vorbehalten ist, sondern auch Filmemacher:innen direkt mit den Kinos
verhandeln dürfen. Der Verleiherverband hatte den Kinostart deines Filmes Fluchtgefahr ein 3/4 Jahr blockiert; dagegen bist du vorgegangen. Der ARF hatte dich 1974 im gerichtlichen Verfahren unterstützt – mit Erfolg.
Nach ersten Dokumentarfilmen hast du dich ab den 70er-Jahren vermehrt dem Spielfilm
gewidmet, und auch damit grosse Erfolge gefeiert; deine Filme wurden in Berlin, Venedig
und Cannes gezeigt und ausgezeichnet, und auch hier sei nochmals erwähnt: die Oscar-
Nomination für Das Boot ist voll 1981.
– Wir sprechen im Vorstand des ARF manchmal über die Bekanntheit oder vielmehr auch
Unbekanntheit von Schweizer Filmen in der Schweizer Bevölkerung. Ich erinnere mich, dass mir als Kind Das Boot ist voll als Filmtitel so präsent war, dass ich eine Weile glaubte, die Redewendung sei vom Film abgeleitet, und nicht umgekehrt.
Ich habe nicht alle deiner Filme gesehen, aber einen grossen Teil davon. Sie sind
unterschiedlich, aber es zeigt sich stringent eine Haltung darin. Es ist ein klar humanistischer Blick, der dein Kino ausmacht, ein Blick, der zwar auf die Menschen geht, aber nicht an ihnen hängen bleibt, sondern immer das gesellschaftliche System beleuchtet – und das mit sehr grosser Sorgfalt in der ästhetischen Gestaltung, sowohl im Bild wie auch im Ton.
Besonders finde ich bemerkenswert, welche emanzipierten Frauen du darin zeigst.
Der alltägliche Sexismus spielt in deinen Filmen also ebenso eine Rolle, wie dies der Rassismus tut, der vielleicht offensichtlicher thematisiert und kritisiert wird. Deinem Blick liegt ein ganzheitliches Verständnis von Privileg und Diskriminierung zugrunde.
Viele deiner Filme sind, so sagst du es selbst, inspiriert von deinen persönlichen
Erfahrungen. Als ich für diese Laudatio einige Stills zu sammeln begann, ist mir zudem
aufgefallen, dass sie auch auf andere Art sehr verbunden sind: In vielen deiner Filme
kommen beispielsweise Pferde vor. Du magst bekannter sein für die Bienen, aber vielleicht wäre es auch spannend, mal einen Pferde-Zirkel zu veranstalten, soweit ich das
recherchieren konnte wurde das noch nicht gemacht. Ich habe jedoch den Hinweis
gefunden, dass Christoph Blocher mal eines deiner Pferde geritten haben soll… aber zurück zu dir und deiner Arbeit.
Wie bereits erwähnt wurden dir schon zahlreiche Preise verliehen, sowohl für deine Filme als auch, mittlerweile, für dein bisheriges Werk als gesamtes: unter anderem der Filmpreis der Stadt Zürich, der Ehrenpreis der Filmakademie, und letztes Jahr wurde dir von der Franklin University Lugano der Ehrendoktortitel verliehen.
«S’Herz elei isch mängmol z’dumm» sagt der Pfarrer in Das Boot ist voll.
Er sagt dies als Rechtfertigung, dass eben nicht alle Geflüchteten Anrecht auf einen Platz in der Schweiz haben. Und auch wenn dies klar eine herablassende Bemerkung ist, so hat er auch Recht damit: unreflektierte Gefühle sollen nie eine politische Maxime sein.
Deine dezidiert humanistische Haltung stellt dem eine analytische Klarheit entgegen. Deinen Filmen gelingt es gewisser Massen, das Herz klug genug zu machen, oder eben: weder Herz noch Kopf allein zu lassen.
Diese kurze Rede umfasst natürlich niemals dein ganzes Schaffen. Aber ich hoffe sie lässt durchdringen, wie viel Mut und Lust es mir persönlich macht, auch selber Filme zu machen – und weitere von dir zu entdecken. Wer mehr ins Detail gehen will: ich verweise hier gerne auf das filmische Portrait über dich mit dem schönen Titel «Markus Imhoof – Rebellischer Poet».
So hoffe ich doch, dass dein Kino weiterhin so bleibt: rebellisch und poetisch.
Als Verband sind wir stolz darauf, dich als Schweizer Filmschaffenden zu wissen. Es freut uns also sehr, dich als Ehrenmitglied in den ARF aufzunehmen.
Jela Hasler, Vorstandsmitglied ARF
In Zusammenarbeit mit Carmen Stadler Mai 2023