im nationalen Filmmuseum Turin, 12.12.2022
(nach der Laudatio von Emanuele Russo, Präsident Amnesty Internation, Italien)
«Gier und Angst» sind die einzigen zwei Motivationen im Leben, mein Freund»,
sagt der amerikanische industrielle Imker in meinem Bienenfilm.
Avidità e paura?
Ist das wirklich alles?
Für das persönliche Leben und in die Politik?
In Filmen und Büchern kommt doch auch noch etwas anders vor, zB Liebe oder Mitgefühl?
Ich hatte als Kind eine Entdeckung gemacht, die mich verwirrte.
Alle anderen sagten zu sich selber Ich.
Aber ich bin doch ich!
Jetzt waren plötzlich alle anderen auch ich.
Auch Sie alle hier – ein ganzer Saal voller Ichs.
Aber ich heisst im Plural wir
Wer gehört zu uns?
Wer ist gemeint mit «Gib uns unser tägliches Brot?»
meine Familie.
meine Freunde und Nachbarn.
Der böse Nachbar auch?
Und die Ausländer?
Im «Envangelo secondo Fontana» interpretiert der italienische Parlamentspräsident die Bibel neu:
‚ama il prossimo tuo‘,
Vuol dire, prima i Italiani“.
Liebe deinen Nächsten – heisst zuerst die Italiener
Gibt es eine Hierarchie der Liebe und Menschenrechte, die nach Metern abnimmt, nach Kilometern erst recht?
Licht nimmt im Quadrat Distanz ab.
Soll dieses Physikalische Gesetz auch gelten bei Empathie und Menschenrechten?
Nationalismus als fremdenfeindliches Naturgesetz?
Ich habe meine DNA Analyse gemacht und es ist abenteuerlich, was in meinem Blut alles schwimmt:
Viel Schweiz, unter anderem aber auch England und Afrika – und Italien.
Wer sind also meine Nächsten?
Gibt es ein übergeordnetes Gesetzt, das auch für alle gilt?
Ich bin immer fasziniert beim Fussball, wenn Spieler nach einem Tor zum Himmel zeigen, um sie sich bei Gott zu bedanken – für die Hilfe gegen den Gegner, den Gott scheinbar weniger liebt.
Aber die Spielregeln sind zum Glück davon unberührt, sie sind für alle gleich, für alle Nationen und Religionen und Hautfarben
Spielregeln garantieren Fairnesse!
Warum sollte das im Leben und in der Politik nicht auch gelten?
Als Reaktion auf die Gräuel des 2. Weltkriegs steht zB in den internationalen Spielregeln der UNO seit 1948
„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“
Frankreich hat dieses Folterverbot 1948 unterschrieben, seit 1958 steht es auch in die französische Verfassung,
aber in den algerischen Kolonien wurde weiter gefoltert
– möglichst geheim, um der demokratischen Kontrolle zu entgehen.
Also doch das physikalische Abstands Gesetz?
Die USA und England haben nach 9. 11. ebenfalls im Verborgenen gefoltert, um den freien Westen zu verteidigen.
Aber wenn wir unsere Werte mit Grausamkeit verteidigen, haben wir sie schon verloren.
Wenn die Italienische Regierung aus Seenot gerettete Flüchtlinge ohne Befragung wochenlang draussen auf dem Meer aussperrt, ist das grausam, unmenschlich und erniedrigend – die Definition von Folter.
Wie ein Bauer, der eine geschossen Krähe über seinem Hühnerhof aufhängt, zur Abschreckung der anderen Krähen, damit sie keine Küken fressen.
Das Leiden der Flüchtlinge und Migranten soll international ausgestellt werden zur Abschreckung für alle Fluchtpläne.
Und zugleich ist es eine italienische Erpressung gegen Europa, das jedes Land für den Flüchtling verantwortlich macht, in dem er zum ersten Mal seinen Fuss setzt.
Eine unfaire Regelung, die auf dem Egoismus der Verweigerer beruht. Italien hat Kilometer lange südliche Küsten.
Die Schweiz ist fein raus, sie gehört nicht zu Europa und liegt nicht am Meer – leider.
Dabei gäbe es klare übergeordnete Spielregeln:
Der Philosoph Immanuel Kant schrieb schon vor 250 Jahren:
„Handle so, dass daraus auch ein Gesetz für alle werden könnte.“
Aber wir brauchen scheinbar die Ungleichheit – für unsere Gier:
Wir bauen unser Wasserrad, das sich nur dreht, wenn es unter einem Gefälle steht.
Wir wissen alle, dass die Welt kollabiert, wenn alle so komfortabel leben würden wie wir.
Das wollen wir verhindern…
Wir heizen mit unserem Glück die Welt und erschweren damit das Leben in Afrika immer mehr – wir fühlen die Hitze sogar schon in Italien.
Menschenrechte müssen international so zwingend gelten wie Fussballspielregeln.
Dafür müssen wir kämpfen.
Auch hier gilt der Videobeweis:
Das ist unter anderem unsere Verantwortung als Filmer.