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VON NATHAN DEM WEISEN – Ein Stück von Elmar Goerden

Uraufführung 19.2.1999, im Staatstheater Stuttgart

Premiere 11. November 2000, in der Alten Feuerwache,
Saarländisches Staatstheater

Schauspielerinnen & Schauspieler

Nathan  –  Ansgar Schäfer
Daja  –  Brigitte Kahn
Recha  –  Kerstin Rullik
Sultan Saladin  –  Hedda Andreas
Sittah  –  Rebekka C. Burckhardt
Ein junger Tempelherr  –  Christoph Wieschke
Al-Hafi  –  Klaus Zwick
Der Patriarch von Jerusalem  –  Lothar Bobbe
Ein Klosterbruder  –  Eberhard Peiker
Shylock  –  Martin Leutgeb

 

Team

Regie, Markus Imhoof
Bühne, Kaspar Glarner
Kostüme, Renate Schmitzer
Dramaturgie, Lars Vogel
Musikalische Leitung, Uli Schreiber
Regieassistenz, Lothar König

 

Presse

Ein intellektueller Ringkampf mit Lessing: ebenso anspruchsvoll wie kurzweilig.

Sie kriegen’s also wieder nicht hin, die Sache mit den «allseitigen Umarmungen», die ihnen Gotthold Ephraim Lessing 1779 in der Schluss-Szene des «Nathan» aufzwingt. Auch in der Feuerwache verlaufen sich Muselman, Jude und Christ auf dem Weg zueinander. Das zu Boden knallende weiße Riesen-Segel der Utopie, das sich zuvor über ihren Köpfen blähte, es versperrt ihnen die Sicht. Ein sinnfälliges Ende für ein Stück, das dem Klassiker den (historischen) Prozess macht. Hier wird kommentiert, analysiert, ironisiert und diskutiert, bis es selbst Lessing zu viel wird und er sich seiner Schlafsucht hingibt. Mitten auf dem Perserteppich ein Häufchen Dichter-Elend, bedrängt von den Figuren seines «Nathans», die aus ihren Garderoben am Spielflächen-Rand drängen, ihn attackieren und provozieren. Dabei will Lessing doch nur sein Drama zum versöhnlichen, zum Umarmungs-Ende bringen.

Es waltet bei aller intellektuellen Hochgestochenheit auch viel Witz und Pfiffigkeit. Und es ist der Haupt-Vorzug einer sensiblen Regie (Markus Imhoof), insbesondere die komischen Seiten dieser bizarren «Theater-auf-dem-Theater»-Szenerie herauszuarbeiten. Kein Regie-Aktionismus, sondern einfühlsame Textbehandlung und kluge Regie-Einfälle.

Die Zuschauer sitzen sich gegenüber, in ihrer Mitte eine petrolfarbene Spielfläche; die Luke zum Schuhlager eines Konzentrationslagers, aus dem Rauch quillt, wird geschlossen (Bühne: Kaspar Glarner). Auf dieser Schuld-«Grundlage» muss Lessing also den «Nathan» proben und spielt den Gutmenschen gleich selbst (Ansgar Schäfer). Martin Leutgeb formt Nathans «dunklen Bruder», den Raff- und Rachgierigen aus Shakespeares «Kaufmann von Venedig», zu einem herausragenden charismatischen Charakter. Der bewunderte Außenseiter, der ewige Störenfried, hier wird das Klischee des «ewigen Juden» fassbar. Das der Tempelherr (Christoph Wieschke in Kampfunform) nur zu gerne bemüht. Er posaunt antisemitisch (oder vielleicht doch nur kritisch?) drauflos, als wolle er der deutschen Rechten beitreten und alle politisch Korrekten aus dem Theater treiben. Hinter rotziger Unverblümt lässt Wieschke immer auch spüren: da weiß einer nicht recht wohin mit seiner (deutschen) Kraft.

Zu diesen drei überzeugenden Charakter-Studien, die korrekter hier Bewusstseins-Studien heissen müssten, gesellen sich durchweg gute Darstellerleistungen (Brigitte Khan, Kerstin Rullik, Hedda Andreas, Rebekka C. Burckhardt, Klaus Zwick, Eberhard Peiker). Wobei Lothar Bobbe als Patriarch besonders hervorzuheben ist.
Dieser zwar hoch komplexe, aber eben auch kurzweilige Theaterabend verhandelt ein anspruchsvolles Sujet. Die Kenntnis des Original-«Nathan» dürfte hilfreich sein. Dann wird’s ein rundum intellektuelles Vergnügen

Saarbrücker Zeitung, 13. November 2000

 

Mit satirischer Lust an den Pointen setzt Regisseur Imhoof die Ebene den Textes modellhaft gegeneinander, wie es in realen Auseinadersetzungen auch ist. Da krachen schon mal die Türen, geht es humor- und vorwurfsvoll zu, manchmal geht es auch um Tod oder Leben. Es verzahnen sich die Ebenen von Kulturgut und Aktualität und offenbaren die innern Bezüge.
Bühne und Kostüme kommen mit sparsamsten Mitteln aus: ein Teppich ist ein Haus, Sand ein Platz, alles von den Schauspielern selber aufgebaut, das schafft gleichzeitig Abwechslung und Spielfluss.

– Rheinpfalz

 

Das Stück von Elmar Goerden ist intelligent, ohne die Bodenhaftung zu verlieren, und Regisseur Markus Imhoof hat es genau so inszeniert mit einem einfachen Bühnenbild und wunderbaren Schauspielern. Trotz des Themas ist es nicht kopflastig, hat Tempo und Witz. Der Abend untergräbt Lessings humanistische Vision und lässt nichts an seinem Platz. Zum Schluss ist es so, wie Theater sein sollte: der Vorhang zu und alle Fragen offen.

– Saarländischer Rundfunk

 

Stimmen

«Kein deutsches Stück ist von der Geschichte so grässlich widerlegt worden. Wirf es weg!»

– Shylock zu Lessing